Demographische Entwicklung im ländlichen Raum in Burkina Faso – Stand, Konsequenzen, Ansätze und Perspektiven

Projekte, Wissenschaft  /   /  By Thomas Ott

Kurzbeschreibung

Burkina Faso: Ein Land am demographischen Scheideweg

Burkina Faso zählt zu den ärmsten Ländern der Welt. Laut Human Development Index (2011) nimmt es Rang 181 von 187 aufgeführten Ländern ein. Im Jahr 2011 lebten in Burkina Faso rund 16 Millionen Menschen. Fortschritte beim Aufbau der Gesundheits- und Trinkwasserversorgung sowie eine Verbesserung der Nahrungssituation führten in den letzten Jahrzehnten zu einem deutlichen Rückgang der Mortalität und einem Anstieg der Lebenserwartung. Demgegenüber verblieb die Fertilität, insbesondere im ländlichen Raum, auf einem extrem hohen Niveau. Das Bevölkerungswachstum liegt derzeit bei jährlich knapp über drei Prozent. Der Zensus 2006 ermittelte einen landesweiten Durchschnitt von 6,2 Kindern pro Frau. Es zeigen sich jedoch auffällige Gegensätze zwischen Stadt und Land: in Städten beträgt die durchschnittliche Zahl der Kinder pro Frau „nur“ 4,6. Weitere Unterschiede ergeben sich in Abhängigkeit von Familienstand, ökonomischer Situation und Bildungsgrad. So haben Frauen mit höherer Bildung im Durchschnitt nur 2,4 Kinder. Die hohe Fertilität schlägt sich zudem in einer explosionsartigen Zunahme der jungen Altersgruppe nieder. Im Zensus 2006 waren 48% der Bevölkerung jünger als 15 Jahre.

Zukünftige Entwicklung

Doch wie wird sich die Bevölkerung Burkina Fasos in den nächsten Jahren entwickeln? Aus Sicht der Vereinten Nationen gibt es unterschiedliche Szenarien: Werden keine bevölkerungspolitischen Maßnahmen ergriffen, bleibt die Fertilität auf heutigem Niveau. In diesem Falle steigt die Bevölkerung Burkina Fasos bis 2050 auf mehr als 61 Millionen Einwohner an. Kommen hingegen gezielte Maßnahmen zum Greifen, kann das Wachstum im selben Zeitraum auf rund 47 Mio. Einwohner begrenzt werden. Dies entspricht allerdings immerhin noch nahezu einer Verdreifachung der heutigen Bevölkerung. In räumlicher Hinsicht werden vor allem die Städte wachsen. Die urbane Bevölkerung wird sich von heute 4 Millionen Menschen bis 2050 auf 24 Millionen versechsfachen.

Diese Entwicklungen werden dramatische Folgen für die Lebenssituation der Menschen haben und die Entwicklungschancen des Landes drastisch verschlechtern. Unter den Vorzeichen des hohen Bevölkerungswachstums, einer überdurchschnittlich schnell wachsenden urbanen Bevölkerung und fehlender Produktivitätssteigerungen in der Landwirtschaft, stellt die Ernährungssicherung der burkinischen Bevölkerung ein gravierendes Problem dar. Hinzu kommen begrenzte landwirtschaftliche Anbauflächen, die die Ernährungsgrundlage für eine wachsende Bevölkerung darstellt. Die fortschreitende Land-Stadt-Migration, v.a. junger Menschen, verschärft dieses Problem, denn einerseits sind immer mehr Stadtbewohner auf die landwirtschaftlichen Erzeugnisse angewiesen. Auf der anderen Seite hat die Abwanderung der jungen Bevölkerungsgruppen aus dem ländlichen Raum eine Verminderung der Produktivität zur Folge. Das ungebremste und ungeplante Wachstum der Städte wird zur Ausbreitung von Slums, einem Mangel an technischer und sozialer Infrastruktur, Arbeitslosigkeit etc. beitragen, wodurch besonders in den Städten das Konfliktpotenzial zunehmen wird.

Der Ausbau des Gesundheits- und Schulwesens wird weder in den Städten, noch im ländlichen Raum mit der Bevölkerungsexplosion Schritt halten können, mit entsprechenden Folgen für das Leben der Menschen. So können z.B. Gewinne bei der Lebenserwartung der Menschen oder der Bekämpfung von HIV/AIDS wieder zunichte gemacht werden. Eine Erhöhung der Kindersterblichkeit könnte sogar eine weitere Steigerung der Fertilität zur Folge haben und ohnehin schon bestehende Engpässe bei der Gesundheitsversorgung werden durch das Wachstum der Bevölkerung noch weiter verschärft. Die große Mehrheit der jungen Bevölkerung wird um soziale Güter wie Bildung und Arbeitsplätze konkurrieren. Der Druck auf den Arbeitsmarkt wird durch das hohe Bevölkerungswachstum weiterhin erhöht. Sehr vielen wird jegliche berufliche und soziale Perspektive fehlen. Gerade die junge Bevölkerungsgruppe ist unter diesen Gegebenheiten anfällig für politische Gewalt und radikale Strömungen. Darüber hinaus wird die zu erwartende Zunahme der Bevölkerung Frieden und Stabilität nicht nur im Land sondern in ganz Westafrika gefährden. Die Folgen des Klimawandels sind in der gesamten Sahelregion zu spüren, was zu Konflikten um Ressourcen wie Wasser, Boden etc. führen kann.  Schließlich bleibt zu erwarten, dass neben der Bevölkerung auch die Armut weiter wächst, da die Fertilität dort am höchsten ist, wo auch die Armut am stärksten ausgeprägt ist, was die Armutsbekämpfung in Burkina Faso vor große Herausforderungen stellen wird.

Was muss geschehen?

Was muss unternommen werden, damit Burkina Faso in der Lage ist, diesen gewaltigen Herausforderungen begegnen zu können. Folgende strategische Achsen gilt es zu bedienen:

  1. Sensibilisierung und Training: Alle relevanten politischen Entscheidungsträger müssen für die bevorstehende Bevölkerungsexplosion und ihre Implikationen sensibilisiert werden. Spezifische Beratungsangebote müssen zur Verfügung gestellt werden.
  2. Agenda Setting: Dem Thema Demographie muss auf der politischen Agenda höchste Priorität eingeräumt werden.
  3. Adaptierung und Harmonisierung: Die nationale Bevölkerungspolitik muss an die neuen Herausforderungen angepasst werden. Zudem muss sie im regionalen und lokalen Kontext durch die Entwicklung regionaler und lokaler Demographiepläne zur Anwendung gelangen.
  4. Koordinierung: Staatliche Institutionen, zivilgesellschaftliche Organisationen, Wirtschaft und Wissenschaft sowie internationale Geber sind aufgefordert, ihre demographie-relevanten Maßnahmen miteinander abzustimmen. Entscheidungs- und Steuerungskapazitäten auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene müssen gestärkt oder aufgebaut werden.
  5. Netzwerkbildung: Um den notwendigen Wissenstransfer leisten zu können, müssen bestehende Netzwerke gestärkt und ggf. neue Plattformen geschaffen werden.
  6. Implementierung: Auf lokaler bzw. kommunaler Ebene müssen Maßnahmen durchgeführt werden, die die kulturellen Voraussetzungen und konkreten Bedürfnislagen der Zielgruppe berücksichtigen und zu einem veränderten reproduktiven Verhalten der Bevölkerung führen. Zu ihnen gehören die Durchführung lokaler Familienplanungskampagnen kombiniert mit Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituation der ländlichen Bevölkerung (Nahrungssicherung, Gesundheit und Hygiene, Bildung und Beschäftigung).
  7. Monitoring und Evaluierung: Um die nachhaltige Implementierung der Bevölkerungspolitik überwachen zu können, muss ein angepasstes System des Monitoring und der Evaluierung entwickelt werden. Bei der Umsetzung und Durchführung dieser strategischen Orientierungen bedarf das Land der Unterstützung internationaler Geber.

Auftraggeber und Bearbeitungszeitraum

Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), 06/2012-09/2012

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